Taunus-Zeitung vom 13.09.2007
Jana wünscht sich aufmerksame Erwachsene
Von Petra Pfeifer
Steinbach. Wie alt sind Fieslinge? Wie sehen sie aus? Wo kann einem Menschen etwas zustoßen? Antworten auf solche Fragen gibt Monika Baumgartl in ihrem Selbstbehauptungskurs für Kinder, damit sie sich in schwierigen Situationen zurechtfinden können. In Rollenspielen lernen sie, dass es nicht ein ungepflegter Mann sein muss, der als Sexualstraftäter in Frage kommt: „Es ist eher der ,nette ältere Herr‘, der die Kinder in Gespräche verwickelt und sie berührt“, sagt die Konflikttrainerin.
Dass der vierteilige Kurs Früchte getragen hat, zeigt das Verhalten der Kinder in den verschiedenen Situationen. So finden sie es richtig toll, sich gegen einen schnieke aussehenden Fiesling abzugrenzen und laut und deutlich „Nein!“ zu sagen. Wie es solche Menschen verstehen, die „Vorsichtsmaschine“ auszuschalten, die jedes Kind besitzt, weiß Denise. „Sie locken mit Hunden, Katzen oder Computerspielen.“
Manchmal würden sie sich auch der Hilfsbereitschaft der Heranwachsenden bedienen, um sie an
sich heranzuziehen: „Dann behaupten sie, jemand, den man gern hat, hätte etwas vergessen und man soll es holen, um es mitzunehmen“, hat Jana gelernt. In einer gestellten Szene in einem imaginären Bus schlüpft Monika Baumgartl einmal mehr in die Rolle eines Fieslings, fragt Carolina nach der Uhrzeit und legt ihr gleichzeitig eine Hand aufs Knie. „Was war die zweite Frage, die ich eben gestellt habe?“, fragt sie in die Runde. Denise weiß es: „Mit so einer Berührung will der Mann wissen, ob das Kind sich wehrt.“
Denn, so weiß Nathalie: „Fieslinge suchen sich schüchterne Kinder.“ Theresa ergänzt: „Sie finden’s nicht gut, wenn Kinder sich wehren.“ Daher geht Monika Baumgartl nun reihum, spricht jedes Kind an und berührt es dabei wie nebenher. Sofort schieben die Kinder die Hand von sich und sagen: „Ich möchte nicht angefasst werden.“ Denn so lautet die Zauberformel, mit der sich Kinder laut und deutlich Gehör verschaffen sollen.
„Aber nicht schreien“, ermahnt die Trainerin, wenn die eine oder andere Stimme zu laut wird. Besonders anstrengend ist die Übung, in der Theresa und Maximilian völlig unvorbereitet von fünf Jugendlichen, die von ihren Seminar-Freunden dargestellt werden, in dem „Bus“ angepöbelt werden. Als Maximilian einen von ihnen von sich schubst, geht Baumgartl dazwischen: „So machst du es nur noch schlimmer.“ Denn zu den „blödsten“ Dingen, die man in so einer Situation machen könne, gehöre es, gar nichts zu machen oder gar sich zu kloppen. „Ich bin aber realistisch genug, um zu wissen, dass sich nicht alle Kinder trauen, etwas zu sagen, wenn sie Angst haben“, so Baumgartl. Daher erlaube sie es ausdrücklich, in so einer Situation einfach abzuhauen.
Das ist in einem fahrenden Bus aber schwierig, und daher führt schließlich das Ansprechen einer erwachsenen Person in der Nähe zur Lösung. Und wenn der erste Erwachsene nicht reagiere, solle der nächste angesprochen werden. Was die Kinder außerdem gelernt haben? „Man muss um Hilfe fragen“, sagt Nathalie. Maximilian meint: „Wenn ich in einem Bus sitze und in eine blöde Situation komme, dann kann ich mich einfach zu anderen Leuten setzen.“
Jana sagt: „Wenn ich ein Erwachsener wäre, dann würde ich mich sofort umgucken, wenn was los ist.“ Denn sie wünscht sich von Erwachsenen mehr Aufmerksamkeit.
Auch die anwesenden Mütter haben dazugelernt: „Ich habe neue Erklärungen bekommen“, meint die eine, und die andere ist sich sicher: „Das Thema müssen wir wachhalten, es ist mit dem Kurs nicht zu Ende.“