Aar-Bote-Wiesbadener Tagblatt vom 7.2.2008
Zum "netten Onkel" Nein sagen können
Beim Selbstbehauptungskurs in Breithardt lernen Kinder spielend Abwehrmechanismen
Kommunikationstrainerin Monika Baumgartl unterrichtete im Breithardter Kindergarten Rappelkiste, wie Kinder Menschen mit bösen Absichten abwehren können.
Von Ilse Heindrich
HOHENSTEIN Kinder sind Gefahren ausgesetzt, vor denen sie sich unter Umständen durch richtiges Verhalten selbst schützen können.
Im Breithardter Kindergarten "Rappelkiste" war dies der Inhalt eines bemerkenswerten Kurses mit Kommunikationstrainerin Monika Baumgartl, den die Elternbeirats-Vorsitzende...... angeregt und organisiert hatte.
Es geht darum, dass sich schon Kindergartenkinder an der Schwelle zum Schulalter selbstbewusst behaupten und durch Befolgen einfacher Regeln Menschen mit bösen Absichten abwehren können. Wie, das sollen sie lernen, ohne dass sich Angst aufbaut, und sie sollten die Regeln üben, damit sich Mechanismen entwickeln, die im Augenblick der Gefahr zum Schutzschild werden.
Monika Baumgartl als Trainerin für Geschützte Kommunikation schafft das "spielend" und professionell, doch - wie sie selbst sagt - ohne Garantie einer nachhaltigen Wirkung. Kinder vergessen schnell, da muss immer wieder nachgehakt werden.
Von "Bösen" wird bei ihr nicht geredet, nur von (scheinbar) netten Menschen. Denn die sind ja alle nett, die sich an Kinder ranmachen, und manchmal sind sie noch nicht einmal nette Fremde, sondern nette Nachbarn, Bekannte oder gar Verwandte.
Darf man sich von solch einem freundlichen Menschen vom Kindergarten abholen lassen, weil Mama angeblich keine Zeit hat oder vom Klo gefallen ist und sich verletzt hat, vielleicht gar ins Krankenhaus musste und nach dem Töchterchen geschickt hat? - "Nein!", ertönt es in der fröhlich kichernden
Runde, denn die Kleinen haben gelernt, dass sie nur mit bestimmten Personen, die im Kindergarten auf einer Liste stehen, mitgehen dürfen. Was tun im Zweifelsfall? - "Im Kindergarten nachfragen!"
Und wenn der nette Mensch behauptet, er sei Papas bester Freund und mit dem Handy ganz schnell bei Papa anruft und sich den Auftrag bestätigen lässt? - "Das ist der Telefontrick! Dann muss man verlangen, selbst mit Papa oder Mama zu sprechen!"
Das sitzt. Die Trainerin verleiht den Deutschen Schlaumeierpreis und lässt die quirlige Truppe zum Lohn die Plätze wechseln. Danach sind alle Ohren wieder gespitzt.
Reden wir von netten Leuten, die gern niedliche Kinder anfassen und mit ihnen schmusen. "Das mögen wir nicht", kommt die Antwort ein bisschen zögerlich.
Also üben: Da wird rundum gestreichelt und gedrückt, und jedes Mal ertönt ein mehr oder weniger energisches "Lass das, ich mag das nicht!" Zum Lohn darf zehnmal um die im Kreis stehenden Stühle gerannt werden. Noch mal über mitgehen oder mitfahren reden.
Wenn ein netter Mensch einem was Schönes zeigen will, wenn er um Hilfe bittet, wenn der Freund sagt, er darf? - Nein, niemals, wenn Mama oder Papa es nicht ausdrücklich erlaubt haben.
Die müssen nämlich immer wissen, wo ihr Kind ist, sonst geht bei ihnen die Sorgenmaschine (kleine Hände bearbeiten Kopf, Herz und Bauch) los.
Auf dem Spielplatz drohen Größere mit Schlägen - da läuft man los zu Erwach-
senen und sagt: "Kannst du mir bitte helfen!"
Und wenn man angerüpelt wird, ganz laut schreien "Hör auf!". Lauter! Noch lauter!
So geht es weiter, und ganz zum Schluss mimt "Monika" eine Autofahrerin, die von Kindern Auskünfte erbittet: Kannst du mir bitte zeigen...
In diesem Fall sollen die Buben und Mädchen gar nicht reagieren und schweigend weitergehen. Weil Erwachsene Erwachsene fragen sollen. Aber auch das scheint schwer zu sein, man müht sich um Desinteresse und Abstand. Bis die Trainerin ausholt und versucht, sich hier ein Mädchen und da einen Jungen zu schnappen. Laut singt sie "Heute gehen wir Kinder klauen, die können wir dann gut verhauen" - und bei dieser besonderen Bedrohung löst sich der Kurs auf in Quieken und Gelächter.
Als es gleich danach Abschied nehmen heißt, gibt es beinahe Tränen. Monika Baumgartl arbeitete vier Mal zwei Stunden mit den 20 Buben und Mädchen aus Breithardt, Burg Hohenstein und Strinz-Margarethä.
Sie hofft, dass sich möglichst viele der eingeübten Spielregeln in den kleinen Köpfen festgesetzt haben. ...durften die Eltern zuschauen und Anregungen für ein Anschlusstraining zu Hause sammeln.